Interview mit Frau Drust

Frau Drust, Sie gehören zu den “Ureinwohnern” von
Waidmannslust. Erzählen Sie doch unseren Lesern einmal, was Sie
hier in Ihrer frühen Kindheit erlebt haben.

Ich bin im Krieg geboren worden und kann mich noch an das
Sirenengeheul zum Fliegeralarm und an die Flugzeuggeräusche erinnern.
Oft wurde ich nachts aus dem Bett gerissen und in den Keller gebracht.
Wir wohnten Dianastraße 26. Das Grundstück ging bis zum Fließ. Dort
hinten fielen drei Bomben. Der Giebel von unserem Haus wurde dabei
abgerissen und die vorderen und seitlichen Fenster zertrümmert. Nach
dem Krieg wurden zwei der Bombentrichter zugeschüttet, auf dem dritten
liefen wir im Winter Schlittschuh. Mein Vater verkaufte seine Ledercouch
und die Sessel, um von dem Geld eine Ziege zu kaufen, damit sein kleines
Mädchen Milch bekam. Wir hatten viele Hühner und auch Kaninchen. Das
Grundstück war ein wahres Paradies für mich. Hier hatte ich meinen
Buddelkasten und eine Wippe, und es gab viele Kletterbäume.

Und welche Kindheitserinnerungen haben Sie noch?
Waidmannslust war ja französische Besatzungszone. Viele Häuser wurden
beschlagnahmt. Zu uns Kindern waren die Franzosen freundlich, und ich
bekam von einem sogar mal ein Brötchen geschenkt. In Tegel in der
Hatzfeldallee bekam ich Mittagessen – immer mit einem Löffel Lebertran.
Die Quäker haben die Kinderspeisung finanziert. Wir konnten auf der
Dianastraße wunderbar trieseln; denn Autos fuhren hier ganz selten. Das
Nachbargrundstück (Anm.: Dianastraße 25) war ganz besonders: eine
Villa, wirklich hochherrschaftlich, inmitten eines kleinen botanischen
Gartens mit einem Gewässer, über das eine Brücke führte. Die alte Dame
spielte immer auf dem Klavier und mein Freund Hansi und ich sangen
Kinderlieder. Mit meinen Eltern bin ich oft ins Kino gegangen. (Anm.: die
„Hubertus Lichtspiele“, Waidmannsluster Damm 167). Zum Schwimmen
sind wir bis nach Lübars zum Freibad gelaufen, das damals noch für die
Franzosen geteilt war. Mit 6 kam ich dann zur Grundschule in der
Artemisstraße. Ich war später kurz auf der Salvator-Schule, habe dann in
die Hans-Thoma-Schule in der Olafstraße gewechselt.

Was haben Sie beruflich gemacht?
Ich habe mich zuerst auf Wunsch meines Vaters am Letteverein zur
Schneiderin ausbilden lassen. Danach machte ich eine Ausbildung zur
Physiotherapeutin. Ich habe dann in einem Kindergarten in der Petersallee
gearbeitet. Dort gab es behinderte Kinder. Ich habe sie unterstützt, damit
sie laufen lernen, sich ankleiden und selbständig essen können etc. Es
waren oft ausländische Kinder. Ich habe deren Eltern zum Arzt begleitet,
weil sie noch nicht gut Deutsch sprechen konnten. Und auch Hausbesuche
gehörten zu meiner Tätigkeit, um zu sehen, welche Hilfsmittel die Kinder
brauchen. Mit einer libanesischen Familie bin ich immer noch im Kontakt.

Haben Sie Ihr ganzes bisheriges Leben in Waidmannslust
verbracht?

Nein, von 1968 bis 76 habe ich in der Stadt gelebt. Und als ich wieder
hierherkam, habe ich das Haus Treiberpfad 4 bezogen. Das gehörte auch
meinen Eltern und wurde gerade frei, als der Pfarrer, der dort wohnte, in Rente ging.

Sie gehören, wie ich gesehen habe, zu den Gründungsmitgliedern
des Fördervereins der Königin-Luise-Kirche. Was hat Sie bewogen,
dabei mitzumachen?

Ich bin in der Kirche getauft, konfirmiert und getraut worden. Auch meine
beiden Söhne wurden hier getauft und konfirmiert. Da ist die Königin-
Luise-Kirche doch nun mal ein Teil meines Lebens geworden. Und als die
damalige Pfarrerin Elisabeth Kühn berichtete, wie bedenklich der bauliche
Zustand der Kirche sei und dass jeder Waidmannsluster, jede
Waidmannslusterin sich angesprochen fühlen sollte, etwas zum Erhalt
unseres Wahrzeichens beizutragen, war ich sofort dabei.

Was gefällt Ihnen persönlich an unserem Ortsteil besonders?
Der Dianaplatz, das Fließtal, die Wasserbüffel – die besuche ich im
Sommer täglich – , der Steinbergpark. Wunderbare Möglichkeiten für
Spaziergänge, zum Tegeler See ist es nicht weit. Die tolle
Verkehrsanbindung zum Zentrum … eigentlich alles! Ich liebe
Waidmannslust.

Eine letzte Frage: Was sollte sich hier Ihrer Meinung nach kurz-
und langfristig verändern?

In erster Linie der Verkehr hier auf der Dianastraße: Warum müssen Eltern
ihre Kinder ewig zur Schule bringen und wieder abholen? Ich finde, die
Kinder könnten doch allein zur Schule gehen. Und ganz furchtbar sind die
Autofahrer, die hier ohne Rücksicht auf Fußgänger und Radfahrer durch
die Dianastraße rasen. Dass die ehemalige Franzosen-Villa neben der
Apego-Schule und die Geschäftsräume an der Ecke Fürst-Bismarck-Straße
nun schon seit Jahrzehnten leer stehen, gefällt mir ganz und gar nicht.
Eine Bäckerei wie früher wäre sehr schön und auch ein Restaurant!

Frau Drust, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Wolfgang Nieschalk