Interview mit Jörg Landt, 1. Vorsitzender des Turnvereins Waidmannslust

Da wir uns seit nahezu 35 Jahren kennen und auch beide im Turnverein Waidmannslust Verantwortung tragen, darf ich für dies Interview sicher beim vertrauten „Du“ bleiben.

Jörg, du bist nun seit mehreren Jahren schon Vorsitzender des TV Waidmannslust. Wie kommst du zu diesem Ortsteil, obwohl du, wie wir alle wissen, doch Schollaner bist?

Da meine drei Söhne die Kita in der Nimrodstraße und danach die Münchhausen-Grundschule besuchten, entstand der Kontakt durch meinen jüngsten Sohn, der beim TVW Basketball spielte.

Sag doch bitte ein paar Worte zur Entstehung des Vereins und wie dieser in das gesellschaftliche Leben in Waidmannslust eingebunden ist. Welche Rolle kann ein Sportverein da gerade heute noch übernehmen?

Anfang des letzten Jahrhunderts gab es eine breite Strömung in der Bevölkerung, die eigene Gesundheit durch sportliche Bewegung zu unterstützen. So haben sich auch 1906 eine Handvoll junger Leute in Waidmannslust zusammengetan und – da sie noch nicht volljährig waren – mit ihrem Lehrer als 1. Vorsitzenden den Turnverein Waidmannslust gegründet. Der Verein hat die vielen Jahrzehnte gut überstanden und die Grundidee hat sich bis heute nicht überlebt. Durch eine Reihe neuer Sportangebote, wie z.B. Zumba-Fitness oder Walking Fußball und Eltern-Kind-Turnen, werden zusätzlich Interessierte angesprochen. Auch das Schwimmen ist gefragt und die Anmeldungen übersteigen die möglichen Kapazitäten.

Die wesentliche Rolle neben der sportlichen Betätigung spielt u.E. das soziale Miteinander in den Gruppen und gruppenübergreifende Kontakte auch außerhalb des Sports. Gerade in der verordneten Abstinenz im letzten Jahr durch Corona hat sich deutlich gezeigt, dass die persönlichen Kontakte der Gruppenmitglieder untereinander die gesellschaftlichen Verbindungen nicht haben abreißen lassen. 

Darüber hinaus gibt es eine relativ starke Einbindung des Vereins auch in die weiteren Aktivitäten im Ortsteil. Das in erster Linie aber auch durch die zum Teil sich ergebende Personenidentität unserer Aktiven in den verschiedensten Aufgabenkreisen anderer Vereine und Gruppen. Solche Formen der Zusammenarbeit sind für einen Ortsteil sehr befruchtend.

Wie ist die Altersstruktur im Verein und was bietet dieser seinen Mitgliedern?

In der Kinder- und Jugendabteilung sowie in den Seniorengruppen haben wir keine Nachwuchssorgen. Dem Verein fehlt jedoch die Breite in der Altersklasse der 35 – 55jährigen. Aber auch da machen wir in der letzten Zeit Fortschritte. Wie schon erwähnt haben wir einige neue Sportarten. Aber ich bin davon überzeugt, dass das soziale Miteinander neben den Aktivitäten der einzelnen Abteilungen das Bindeglied zum Verein ist.

Wie schätzt du die von Vielen im Verein geleisteten ehrenamtlichen Hilfen ein. Ist ein Sportverein ohne Ehrenamtliche überhaupt denkbar?

Ohne ehrenamtliche Helferinnen und Helfer ist ein Verein nicht lebensfähig. Die Arbeit der Ehrenamtlichen kann nicht hoch genug gewürdigt und wertgeschätzt werden.

Wie ist die öffentliche und wie die politische Unterstützung der beschriebenen Aufgaben?

Die Politik betont zwar immer wieder, wie wichtig der Sport und die damit verbundene ehrenamtliche Arbeit für unsere Gesellschaft ist, aber leider bleibt es oftmals dabei. Die Unterstützung durch öffentliche Stellen, z.B. das Sportamt Reinickendorf, den Bezirkssportbund und den Landessportbund, ist jedoch engagiert!

Wir haben gehört, dass der Nutzungsvertrag für die Geschäftsstelle des Vereins im „Bergschloß“, der ehemaligen Jugendfreizeitstätte im Schatten des S-Bahnhofs Waidmannslust, über das Jahr 2022 hinaus noch unklar ist. Gibt es dafür einen alternativen Standort?

Ein Sportverein gehört in seinen Ortsteil und wir haben für unsere Geschäftsstelle den Vorteil, dass sie nicht nur am S-Bahnhof und auch angebunden an den 222er Bus verkehrsmäßig äußerst günstig, sondern zudem noch sehr zentral zu den von uns genutzten Sportstätten gelegen ist. Wenn es nicht möglich wird, den Nutzungsvertrag zu verlängern, sehen wir im Ortsteil zurzeit keine angemessene Alternative. Wir stehen aus diesem Grunde in engen Verhandlungen mit den zuständigen Stellen und wünschen uns von dort im Sinne der Bedeutung unserer Arbeit endlich deutlichere Zeichen!

Die Turnhalle der Münchhausen-Grundschule in der Artemisstraße wird seit ihrer Errichtung im Jahre 1910 vom TVW genutzt. Es ist für uns vorstellbar, dass nach der Sanierung des Schulgebäudes und nach der Errichtung des vorgesehenen Ersatzbaus dort auch Räumlichkeiten für uns frei werden. Da es hier aber offensichtlich noch keine konkreten Planungen gibt und mit dem Ersatzbau bis heute nicht begonnen worden ist, ist eine Verlängerung des Nutzungsvertrags im Bergschloß unverzichtbar. Wir wünschen uns als Verantwortliche für 750 Mitglieder eine stärkere Einbeziehung in die Überlegungen des Bezirks, da wir planen müssen.

Wie hat der Verein die Pandemie erlebt bzw. überlebt?

Schon zuvor hatte ich auf die vielen persönlichen Kontakte der Mitglieder untereinander auch außerhalb der Übungszeiten hingewiesen, die gerade auch in der Pandemie weiter bestanden haben. Durch die Angebotsstruktur, die vielfältig aber auch überschaubar ist, und als relativ kleiner Verein im Vergleich zu den umliegenden Sportvereinen haben wir es da wohl auch leichter. Wir haben in der Pandemie kaum Mitglieder verloren und aktuell sogar weitere Anmeldungen.

Was, glaubst du, ist das Besondere oder ggf. auch Liebenswerte an Waidmannslust?

Das Besondere und Liebenswerte an Waidmannslust ist für mich die Lust und Neugier am Neuen sowie die soziale Struktur. Die Mischung stimmt!

Übrigens: Interessierte finden das Angebot des Vereins unter https://tv-waidmannslust.de/

Lieber Jörg, wir danken dir dafür, dass du dir Zeit für uns genommen hast.

Das Interview führte Günther Poggel von der Initiative Waidmannslust